Dienstag, 26. November 2013

Wenn ich verschwinde ... - 1. Hier und jetzt (Teil 1.)

Sirena schnaubte grimmig und trat die Zigarette mit den schweren, schwarzen Stiefeln aus. Ich war nicht der Einzige der sie anstarrte. Eine Frau bekam Mann hier ohnehin selten zu sehen, doch eine wie sie hatte ich noch nie gesehen. Die langen türkisen Haare fielen offen über die knochigen Schultern, die kaum von dem weitausgeschnittenen weißen Top mit der Aufschrift „Peace“ verdeckt wurden. Die Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, als sie die Blicke bemerkte. Ich wich ihr unwillkürlich aus und ließ sie durch die Eingangstür schreiten. Als mir bewusst wurde das ich ihr hinterher starrte ging mein Blick auf den Boden. Immerhin war ich nicht der Einzige der so reagierte. In dieser Stadt war man im Allgemeinen noch prüde, eine Erscheinung mit grellem Haar und Minirock konnte hier noch immer für Aufregung sorgen. In meinem Kopf kreisten bereits die Fragen, was sie hier machen würde. In einer Stadt wie Hangwood, noch dazu im Gefängnis. Ich schob mich ebenfalls durch die Eingangstür. Es gab keinen Grund zur Eile, sie musste sich zunächst ohnehin Ausweisen. Heute war kein Besuchstag, also musste sie zu einem Angestellten wollen. Es gab eine freie Stelle in der Verwaltung und ich überlegte kurz, ob sie vielleicht zu einem Vorstellungsgespräch gekommen war. Doch diesen Gedanken verwarf ich wieder, als sie sich bückte um ihren Ausweis wieder aufzuheben, der ihr aus der Hand gefallen war. Ich bezweifelte das jemand so zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen würde. Sie nahm keine Notiz von mir. Ich schob mich neben dem Getränkeautomaten und betrachtete sie von der Seite weiter.

Samstag, 23. November 2013

Wenn ich verschwinde …- Rückblick

Rückblick


Für die Entstehung von Feuer müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Man benötigt einen Brennstoff, ein Oxidationsmittel sowie eine gewisse Temperatur. Ich wusste, dass ich alle Voraussetzungen geschaffen hatte – von der Temperatur einmal abgesehen. Der Sommer war mild, weder zu heiß noch zu kühl. Obwohl keine Wolke den Blick auf die Sterne verhinderte, konnte ich nur einige winzige Punkte erkennen. Die Lichter der angrenzenden Stadt verschluckten sie einfach. Ich umklammerte den Kanister fester. Als Brennstoff eignen sich Materialien wie Holz, Kohle, Papier oder auch flüssige Stoffe wie Benzin. Das kleine Häuschen vor mir, bestand aus Holz. Die weiße Farbe blätterte bereits an den alten Brettern der Fassade ab. Ich würde hier also keinen Palast niederbrennen. Als Oxidationsmittel diente mir der Sauerstoff aus der Luft. Das Ganze war so einfach, dass mein Kopf sich die ganze Zeit über fragte, was er vergessen haben könnte. Ich schloss die Augen, vor mir malte sich sofort die chemische Formel auf. Feuer ist eine exotherme Reaktion, bei der Energie in Form von Wärme und Licht frei wird. Alles ganz einfach, ganz simpel. Alles was ich jetzt noch tun musste, war warten. Ich konnte den leichten Schein der Flammen bereits durch die hellen Vorhänge des Fensters sehen. Der Brand würde sich in wenigen Minuten im kompletten Erdgeschoss ausgebreitet haben. Ich hatte so viel Benzin verwendet, das ich am Ende kaum noch Luft bekam, aber ich musste sicher gehen. Noch nie in meinem Leben habe ich mich gewehrt gegen die Menschen, das System oder das Leben als gesamtes. Doch diese Nacht hatte mich verändert.