Sirena schnaubte grimmig und
trat die Zigarette mit den schweren, schwarzen Stiefeln aus. Ich war nicht der
Einzige der sie anstarrte. Eine Frau bekam Mann hier ohnehin selten zu sehen,
doch eine wie sie hatte ich noch nie gesehen. Die langen türkisen Haare fielen
offen über die knochigen Schultern, die kaum von dem weitausgeschnittenen
weißen Top mit der Aufschrift „Peace“ verdeckt wurden. Die Lippen verzogen sich
zu einem Grinsen, als sie die Blicke bemerkte. Ich wich ihr unwillkürlich aus
und ließ sie durch die Eingangstür schreiten. Als mir bewusst wurde das ich ihr
hinterher starrte ging mein Blick auf den Boden. Immerhin war ich nicht der
Einzige der so reagierte. In dieser Stadt war man im Allgemeinen noch prüde,
eine Erscheinung mit grellem Haar und Minirock konnte hier noch immer für
Aufregung sorgen. In meinem Kopf kreisten bereits die Fragen, was sie hier
machen würde. In einer Stadt wie Hangwood, noch dazu im Gefängnis. Ich schob
mich ebenfalls durch die Eingangstür. Es gab keinen Grund zur Eile, sie musste
sich zunächst ohnehin Ausweisen. Heute war kein Besuchstag, also musste sie zu
einem Angestellten wollen. Es gab eine freie Stelle in der Verwaltung und ich
überlegte kurz, ob sie vielleicht zu einem Vorstellungsgespräch gekommen war.
Doch diesen Gedanken verwarf ich wieder, als sie sich bückte um ihren Ausweis
wieder aufzuheben, der ihr aus der Hand gefallen war. Ich bezweifelte das
jemand so zu einem Vorstellungsgespräch erscheinen würde. Sie nahm keine Notiz
von mir. Ich schob mich neben dem Getränkeautomaten und betrachtete sie von der
Seite weiter.
Sirena schob sich das
wellige Haar aus dem Gesicht und lächelte wieder. Sie reichte dem Mann hinter
der Scheibe ihre Karte und beugte sich leicht nach vorne. „Tun Sie mir den
Gefallen und sagen ihm er soll mich anrufen?“ Ihre Stimme klang leicht
säuselnd, als würde sie versuchen ihm etwas einzuflüstern. Ich wandte den Blick
wieder ab und versuchte mich zu konzentrieren. Während der Arbeit konnte ich es
mir nicht leisten, plötzlich zu verschwinden. Ich ballte nervös die Hände
zusammen und biss die Zähne zusammen. Das Geräusch ihrer Stiefel auf dem frisch
gewischten Boden kam näher und mein Blutdruck stieg wieder an. Sie geht an mir
vorbei und ich kann den Geruch ihres Parfumes riechen. Alles in mir verkrampft
sich kurz.
Nicht
jetzt. Ich kann nicht hier verschwinden …
Ich blieb wie angewurzelt
stehen und wartete darauf, dass die Anspannung nach ließ. Zu diesem Zeitpunkt
wusste ich noch nicht, dass ich Sirena schneller wiedersehen würde als ich
hoffte. Die Arbeit im Gefängnis hatte ich nur um mich immer wieder daran zu
erinnern, was geschehen würde – wenn ich mich erwischen ließ.
Ich schruppte die Flure,
Duschen und Büroräume. Niemand nahm wirkliche Notiz von mir und genau so wollte
ich es auch. Schon seit meiner Kindheit habe ich Probleme mich zwischen
Menschen zurecht zu finden, doch vielleicht bin ich es auch selbst, der sich
gar nicht zurecht finden will. Ich ging nach Hause – zu Fuß wie immer. Der
Herbst war noch nicht über Hangwood hergefallen, nur die verfärbten Blätter
erinnerten daran, dass der Sommer eigentlich schon vorbei war. Ich ging nicht
den direkten Weg zu meiner Wohnung sondern maschierte durch den angrenzenden
Wald hinter dem Gefängnis. Ich konnte es noch immer nicht vollständig
kontrollieren, manchmal brach es einfach aus mir heraus und ich verwand von
einem Moment auf den anderen. Eine praktische Sache wenn man nicht beim Klauen
erwischt werden will, während der Arbeitszeit jedoch konnte das ganze
unangenehme Folgen haben. Ich versuchte nicht daran zu denken was passieren
würde, wenn ich mich einmal vor Laufender Kamera in Luft auflöste.
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